Ich war Nils.
Meine Geheimnisse lagen im dunkelsten Teil meiner Seele.
Sie waren unsichtbare Geister, die nur in der Nacht auftauchten, als die üblichen Sorgen eingeschlafen waren. Ein schmaler Pfad öffnete sich zwischen den turmhohen Kartons voller Erinnerungen. Die alten, schäbigen Kartons waren durcheinander gestapelt, sie drohten zu fallen. Geister glitten durch diesen schmalen Pfad. Kam es zu einer starken Kollision, würden die Kartons fallen, würde der Pfad verschwinden. Dann wäre da nur noch die Zerstörung, die Panik und der Schmerz.
Die Schatten
krochen langsam heraus und versuchten behutsam, die Türklinke des Unbewussten
zu öffnen. Sie drängelten sich durch die offene Tür und gingen wild in den
Nebel hinein.
Am angezündeten
Feuer tanzten sie seltsame Tänze und riefen bedeutungslose Worte. Sie wirbelten
herum, drückten sich aneinander und lösten sich dann voneinander.
Glommen die
Lagerfeuer, versanken die Schatten in der düsteren Dunkelheit. Brannte das
Feuer, erschienen die Schatten im dunstigen Licht. Ich versuchte, die Flammen
anzufachen, um die Gesichter der Geister zu sehen, aber ich fühlte mich
hilflos. Alles lag außerhalb meiner Kontrolle. Ich konnte es nicht halten,
nicht steuern und nicht erkennen.
Träume … Träume …
die Träume waren Bilder von Erinnerungen, die in der Dunkelheit des Unbewussten
wirbelten.
Ein Geist zog
mich hoch und flüsterte mir ins Ohr:
"Robert, wir
können jemanden töten."
"In dem
Traum?"
Ich stand auf und
schrie vor Angst.
"In einem
Traum? Kann man jemanden in einem Traum töten?"
In Panik geratene
Kartons fielen und begruben den Schatten der Erinnerungsdomäne. Ich lag
verängstigt in der dunklen Nacht vor Angst und Schmerz. Hätte ich nicht die
Kraft zum Schreien gehabt, wären die stabilen Kisten nicht zusammengebrochen,
hätten mich die Geister weggezerrt. Träume … Träume … Mord im Traum.
Mein Name war
Robert.
Vi nannte mich
Nils.
Ich habe den
Namen, den Vi für mich gewählt hat, nie abgelehnt. Ich habe Vi auch nie von dem
Typen namens Robert erzählt. Weil ich es nicht für nötig hielt. Weil ich den Namen Robert hasste. Weil das Wort Nils so sanft aus Vis
Lippen kam.
Ich nannte sie
Vi. Es war ein einfacher und leicht auszusprechender asiatischer Name. Es
schien für eine Person geeignet zu sein, die nicht pingelig und kompliziert
war. Vi hat nie nach meinem richtigen Namen gefragt, also habe ich auch nie
nach Vis richtigem Namen gefragt. Es war nicht schwer herauszufinden. Ich
brauchte nur einen Blick auf das Postfach, nur ein paar Minuten, im Telefonbuch
nachzuschlagen … Aber wofür. Brauchen die Menschen eine fremde Wahrheit oder
mögen sie eine vertraute Unwahrheit?
"Robert. Im
Traum kann man töten."
Ahmed flüsterte
das in der Nacht, als wir zusammen in dem kleinen, schmuddeligen Zimmer waren.
Wir lagen auf dem Boden zwischen Essensresten und Bierkapseln. Im Fernsehen
bewegten sich die Bilder des mörderischen Grauens langsam im Dunkeln.
"Robert, man kann im Traum töten." Diese schreckliche Aussage öffnete
einen Weg in die Dunkelheit meiner Erinnerung und zerstörte den Rest meines
Lebens.
Eines Nachts im
Schatten meines Unbewussten würde ich Vi mit einem gezackten Tomatenmesser
töten. Ich würde das scharfe Messer in ihre schöne volle linke Brust stechen.
Ich würde Vi töten, weil ich sie liebte. Das Bild von Vi, die auf dem Bett
schlief, verfolgte mich im Wahnsinn. Jedes Mal, wenn ich Vi näher kam,
verengten sich meine Blutgefäße, bis ich nicht mehr atmen konnte.
Das Mondlicht
fiel schräg durch das Fenster auf den karmesinroten BH - ich zog die dicken
Vorhänge zu, um das Mondlicht von Vis Brust auszulöschen - stand lange Zeit mit
einem zitternden Messer in der Hand an der Bettkante. Morgens, wenn ich
geschockt auf dem Sofa aufwachte, dachte ich immer, Vi sei im Nebenzimmer tot.
Trockenes und dunkelrotes Blut klebte an der kalten, blassen Brust.
Ich versteckte
mich in der Küchenecke, saß am Messerständer und schluchzte vor Angst. Das
Tomatenmesser lag allein auf dem weißen Steintisch. Ich hob das Messer auf und
konnte mich nicht erinnern, warum es auf dem Tisch lag. Gestern Abend hing es
noch ordentlich an der Wand. Warum kletterte das Messer jedes Mal, wenn Vi hier
schlief, herunter und lag auf dem Tisch? Ich konnte mich nicht
erinnern, was letzte Nacht passiert war. Vor dem Fenster kam gerade ein
friedlicher Tag.
Ich habe Angst
vor Rot im Dunkeln. Anscheinend wusste Vi das. Aber um mich zu ärgern, trug Vi
immer ein rotes Nachthemd. Ich verfluche das Leben, das dumme Frauen zur Welt
brachte. Ich verfluchte die Person im roten Nachthemd, die vor der
Schlafzimmertür stand. Sie war nicht das arme Rotkäppchen. Nachts war sie wie
die Hexe, wie der Rumpelstilzchen. Ich lag verächtlich wütend im Salon:
"Vi, du bist
so gemein und geschmacklos. Dein grellrotes Hemd sieht lächerlich und billig
aus."
"Ich weiß.
Bullentiere hassen auch Rot."
Als das Licht im
Zimmer ausging, sah ich das letzte Bild, das die rote Farbe auf Vis Brust war.
Die rote Farbe blitzte plötzlich auf und verschwand dann in der Dunkelheit.
"Bitte
schließe die Schlafzimmertür", im Dunkeln schrie ich vor Angst.
Vi lacht laut:
"Hast du
Angst, dass du es nicht aushältst?"
"Ich bin
kein sexbesessener Mensch. Ich möchte nur, dass du die Tür schließt, weil du zu
laut schnarchst."
Wütend schlug Vi
die Tür zu. Aber die geschlossene Tür half mir nichts zu überprüfen. Da Vi die
Tür nie verriegelte, konnte ich die Tür zum Schlafzimmer öffnen und wenn ich
rausgehen würde, würde ich sie wiederschließen. Ich
stellte meine Hausschuhe ordentlich neben das Sofa. Als ich morgens aufwachte,
beobachte ich normalerweise die Position meiner Schuhe. Aber das war auch
sinnlos. Die Platzierung der Schuhe bestätigte nicht, ob ich in der Nacht
meinen Schlafplatz verlassen hatte oder nicht. Vielleicht hatte ich das Sofa
ohne Schuhe verlassen. Vielleicht hatte ich meine Schuhe angezogen und sie
ordentlich wieder an ihren Platz gelegt. Aber wer hatte die lila Vorhänge im
Schlafzimmer zugezogen? Wenn ich morgens aufwachte, hörte ich oft, wie Vi
glücklich jammerte:
"Danke, dass
du für mich die Vorhänge zugezogen hast."
"Ich habe
dein Zimmer nicht betreten", antwortete ich hastig, fast panisch.
"Komm, Nils.
Ich wache nie mitten in der Nacht auf, um den Vorhang zuzuziehen. Ich bin ein sorgloser Mensch, der immer tief schläft."
Ach! Vi war
bestimmt ein sorgloser Mensch. Es war mir egal, wie sie schlief und was sie
dachte. Es war mir auch egal, ob sie enttäuscht oder glücklich war. Ich
ignoriere diese lächerlichen weiblichen Gefühle. Sie hatte keine Ahnung, dass
sie mit dem Tod spielte. Ich dachte darüber nach, die Kamera nachts neben Vi anzulegen. Aber sie würde es herausfinden. Ihre wilden Katzenaugen
könnten alles erkennen, sogar die kleinsten Dinge. Ich dachte daran, Vi auszuweichen,
aber dann fehlte mir der Mut.
Einmal war Vi plötzlich für lange Zeit verschwunden. Ich
suchte sie auch nicht. Ich vermutete, dass sie in ihre Gesellschaft zurückgekehrt ist, sich verliebte und einen kleinen Asiaten heiratete.
Ich faltete Vis rote Nachthemden, ich wollte sie in einer dunklen Schublade
verstecken. Das waren zarte Satin - Hemden. Ich strich mit der Hand darüber und
dachte, wie Vis Wärme unter dem Stoff blieb. Ich legte meinen
Mund auf Vis linke Brust und biss hinein, überrascht zu erkennen, dass die
Abdrücke meiner nassen Zähne gerade auf den roten Stoff eingeprägt waren.
Mein Herz schmerzte und ich hoffte, Vi würde nicht zurückkommen. Komm nie
wieder in dieses Zimmer!
Aber dann kam sie
trotzdem wieder. Eines Abends stand Vi erschöpft und fast desorientiert vor
meiner Wohnungstür.
"Nils. Lass
mich heute hier schlafen."
Ich habe nicht
gefragt, warum Vi zurückgekommen ist. Ich empfand nur Angst, weil Liebe,
Eifersucht, Wut und Zorn in meinem Herzen explodierten. Dann würde Vi wieder
gehen. Frauen waren ebenso grausam. Ich wollte Vi in meine Arme nehmen, sie wie
ein Kind streicheln. Aber ich wusste, dass die Liebe eine Katastrophe war, dass
die Liebe der Tod war. Ich werde Vi mit einem scharfen Messer durch ihre linke
Brust töten. Ich hatte die Frauen getötet, die ich geliebt hatte. Die Geister
in meiner Seele erwachten und krochen in der dunklen Nacht. Sie krochen herum
und suchten nach einem Ausweg. Außer Kontrolle. Alles lag außerhalb meiner Kontrolle.
Ich hielt mich
von Vi fern, lief vor dem Schicksal davon, trieb in Kneipen durch die Nacht,
vergrub meinen Kopf in Trunkenheit und kehrte erst im Morgengrauen zurück. Ich
schlief, bis die Sonne unterging, als ich aufwachte, war der Tag schon lange
vorbei. Dann kam die Nacht wieder, ich saß allein im Dunkeln, betrank mich und
dachte an Vis Augen. Sie waren auf Partys immer einsam und belanglos. Dort traf
ich Vi. Auf so verdorbenen, verstörten, verwirrten Partys lernte ich Vi kennen
und verliebte mich in sie. Aber Vi gehört nicht in diese falsche, verrückte
Welt. Es scheint, als ob Vi nur vorbeigeht. Ich wusste nicht,
warum eine attraktive Asiatin wie Vi einsam war und nach kurzlebigen Spaß
suchte. Einmal habe ich es unabsichtlich gesagt, dass eine Person wie Vi nicht
zu gefälschten Spaß gehen sollte. Vi war ungewöhnlicherweise nicht verbittert,
sondern antwortete nachdenklich und ausweichend:
"Menschlichkeit
und Einsamkeit verbinden die Menschen nicht miteinander. Es ist nämlich die Lüge,
die die Menschen zusammenhält und sie nicht trennen lässt."
Das war kein
Witz. Dies schien in Vis Leben eine gewisse Bedeutung zu haben. Ich wollte aber
die Sache nicht weiter vertiefen. Es wäre unfair, wenn ich neugierig auf Vis
Privatleben wäre, aber mein Geheimnis bewahren würde. Während Vi die
Ungerechtigkeit hasst. Sie fordert immer gleiche Rechte für Frauen, so aggressiv und hartnäckig, dass ich mit Vi Mitleid habe.
Sie hätte als
Mann geboren werden sollen.
Không có nhận xét nào:
Đăng nhận xét